Deaf Academics Conference 2021

13.07.2021

Die diesjährige Deaf Academic Conference wurde pandemiebedingt, wie so viele Konferenzen auch, online abgehalten. Ein kurzer Erfahrungsbericht über digitale gebärdensprachige Präsentationen und die Herausforderung der International Sign.

Seit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 hat sich nicht nur der wissenschaftliche Betrieb von heute auf morgen auf ein neues digitales Zeitalter umstellen müssen, auch der Austausch außerhalb des Universitätsgebäudes wird immens erschwert: Konferenzen ohne persönliche Begegnung – ist das möglich oder anders gefragt: Kaffeepause im Breakout-Room?

Der wissenschaftliche Austausch lebt von interdisziplinären und internationalen Begegnungen. Die Teilnahme an Konferenzen nehmen insofern auch immer einen promineten Platz im Kalender von Forschenden ein. Seit der Pandemie stellt sich jedoch immer öfter die Frage, ob sich die Kaffeepause im digitalen Breakout-Room denn überhaupt rentiert, denn ungeachtet der Tatsache, wie gut digital organisiert wird – eine Begegnung in Präsenz lässt sich auch mit noch so hochauflösenden Kameras und technischem Know-How nicht via Zoom ersetzen.

Dies trifft besonders dann den Forscher*innengeist, wenn es sich um rare Veranstaltungen handelt wie die Deaf Academics Conference; für gehörlose und gebärdensprachige Wissenschaftler*innen die einzige Konferenz dieser Art. Die DAC wurde 2002 von Patrick Boudreault, Gaurav Mathur, Eugene Mirus und Christian Rathmann in Austin/Texas mit dem Ziel gegründet, eine ausnahmslos für gehörlose Akademiker*innen zugängliche wissenschaftliche Plattform des Austausches zu etablieren. Interdisziplinär ausgerichtet, treffen sich in sich wechselnden Gastgeberländern ein wissenschaftlich heterogenes Publikum in einem bewussten gegebenen deaf safe place. Konferenzsprache ist International Sign (I S), eine flexible und stark kontextabhängige und oft vor Ort entstehende Kommunikationsform (vgl. Hidding/ Crasborn 2011, 483), wobei es Parallelen English und I S als lingua franca (ELF) gezogen werden können (vgl. Kuster 2021).

Für 2021 qualifizierte sich Kanada als Gastgeberland und sah sich plötzlich der Herausforderung gegenüber, die DAC als Online-Konferenz für eine durchschnittliche 200 Personen zählende Veranstaltung zu organisieren. Wiewohl die Absage der Konferenz vor Ort vor allem für die Präsentator*innen schwer wog, so begründete das digitale Setting einen erheblichen Preisnachlass der Tickets und führte wohl auch zu einer Teilnahme von Akademier*innen, denen aufgrund ihrer Lebenssituation ein Besuch der Konferenz vor Ort vielleicht nicht möglich gewesen wäre. Dieser Aspekt wurde auch bei der abschließenden Feedbackrunde immer wieder von Teilnehmenden als positiv rückgemeldet.

Barbara Hager, PraeDoc im Fachbereich Inklusive Pädagogik stellte dieses Jahr in einer Feedbacksession ihre Dissertation zum Thema Kompetenzen und berufsbiografische Erfahrungen von tauben Lehrpersonen in Österreich und Deutschland vor. Sie schildert ihre Erfahrung im digitalen Setting folgendermaßen:

„Es war eine ungewöhnliche Situation: mit ein paar Minuten Verzögerung aufgrund der technischen Herausforderung, begann mein Vortrag ein paar Minuten später. Neu für mich war, dass ich während der zwanzigminutigen Präsentation keine einzigen Teilnehmer*innen sehen konnte, obwohl es fast 30 Zuschauer*innen waren. Dennoch war es ein außergewöhnliches und erhabenes Gefühl, mein Dissertationsprojekt mit der Methodologie, dem Forschungsdesign der ‚Constructing Grounded Theory‘ und einigen Analyseergebnissen in International Sign vorstellen zu können.  Am Ende bekam ich von den Moderatorinnen auch ein knappes Feedback, dass ich die Methodologie sehr detailliert und verständlich präsentiert habe. Das war mir ein großes Anliegen und hat mich sehr gefreut! Für weitere Diskussionen und Fragen war leider zu wenig Zeit. Insgesamt hat mir der persönliche inhaltliche Austausch mit Grounded Theoretiker*innen nach der Präsentation gefehlt.“

Clara Kutsch, PraeDoc im Team der Sprachlehr- und -lernforschung nahm dieses Jahr das erste Mal an der DAC teil und empfand die Teilnahme einerseits als sehr bereichernd, andererseits aber aufgrund ihrer eigenen noch rudimentären Kompetenzen in I S als herausfordernd und so sei auch das Verfolgen der Vorträge im Einzelsetting nicht gewinnbringend gewesen, sondern nur gemeinsam mit I S kompetenten Kolleg*innen sinnvoll, die zwar nicht die Rolle von tauben Dolmetscher*innen einnahmen, doch bei konkreten Verständnisproblemen unterstützend zur Seite standen. Genau dieses Problem war auch eines der Kernvorträge der diesjährigen DAC und wurde sehr eindrücklich von Anneliese Kuster vorgetragen: Der Spracherwerb in IS als Privileg und Gatekeeper für eine nachhaltige Positionierung im internationalen Austausch.

Für die DAC 2023 konnte sich Wien als Gastgeberland qualifizieren und wird die im September stattfindende Konferenz organisieren. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist noch offen, ob die Veranstaltung ausschließlich in Präsenz oder aber hybrid stattfinden wird. Zieht man das abschließende Feedback der Teilnehmenden der diesjährigen DAC-Konferenz in Kanada zu Rate, so besteht eine – wenn auch nicht einstimmige – Bevorzugung einer reinen Präsenzaustragung. Es wird sich zeigen, wie die letzte Entscheidung diesbezüglich aussehen wird, an einem kulturellen Rahmenprogramm wird zumindest jetzt schon gearbeitet.

Quellen:

Hiddinga, Anja; Crasborn, Onno (2011): „Sign languages and globalization“. In: Language in Society 40, 483-505.

Kusters, Annelies (2021): Project "Mobile Deaf"

Hier der Link zum Werbevideo DAC 2023.


Barbara Hager, PraeDoc Inklusive Pädagogik

Barbara Hager und Vanessa Schügerl, Mitglieder des Organisation Committee der DAC 2023